Bruderherz by Andreas Hoppert

Autor:Andreas Hoppert [Hoppert, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783522630351
Herausgeber: Gabriel Verlag
veröffentlicht: 0100-12-31T16:00:00+00:00

Kapitel 21:

29. Oktober 2012

»Verdammt, warum haben Sie diesen Rüttgen nicht gefunden?«

Winter saß mit Hauptkommissar Wegener in der Gerichtskantine. Die Vernehmung des Zeugen war seit wenigen Minuten beendet und der Staatsanwalt in entsprechend aufgebrachter Stimmung. »Dann hätte mich Frau Simoneit vorhin nicht so vorführen können.«

»Wir hatten doch gar keine Chance«, versuchte der Kommissar sich zu verteidigen. »Wir wissen nicht, woher die Simoneit die Information hat, dass Abel Wellershoff einer der Kunstfälscher war. Im Prozess gegen Martin Kirchner ist das nie zur Sprache gekommen.«

Winter fuhr sich durch die dünner werdenden Haare. »Entschuldigung«, sagte er etwas milder gestimmt. »Sie können natürlich nichts dafür. Meine Nerven sind in letzter Zeit nicht die besten. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieser Prozess langsam in eine Richtung abdriftet, die mir überhaupt nicht gefällt.« Der Staatsanwalt rieb sich heftig die Stirn, dann sah er Wegener unverwandt an. »Sind Sie sich wirklich sicher, dass wir mit Kain Wellershoff den Richtigen angeklagt haben?«

Wegener brachte vor Empörung zunächst kein Wort heraus. Doch dann erwiderte er: »Natürlich, davon bin ich felsenfest überzeugt! Oder zweifeln Sie an meiner Ermittlungsarbeit?«

»Natürlich nicht«, beeilte sich Winter zu versichern, nach Wegeners Geschmack allerdings mit einem Tick zu wenig Nachdruck. »Ich frage mich nur …«

»Ja?«, versuchte der Kommissar, ihm auf die Sprünge zu helfen.

»Ich frage mich nur, ob Sie sich nicht vielleicht doch zu früh auf Kain Wellershoff als Täter festgelegt haben.«

Winter schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie reden schon genauso wie die Simoneit«, sagte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich so von ihr beeinflussen lassen würden. Ich sage es Ihnen gern noch einmal: Kain! Wellershoff! Hat! Seinen! Bruder! Ermordet! Daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben!«

»Und was ist mit Julia Walter? Über die haben Sie bisher noch gar nichts herausgefunden. Das soll kein Vorwurf sein, ich möchte in diesem Prozess nur keine weitere böse Überraschung erleben.«

»Da können Sie hundertprozentig sicher sein!«, gab Wegener im Brustton der Überzeugung zurück. »Julia Walter hat mit dem Mord an Abel Wellershoff nichts zu tun! Sie kann damit nichts zu tun haben, schließlich haben wir den wahren Täter und der heißt Kain Wellershoff.«

Winter musste wider Willen lächeln. »Das nennt man dann wohl einen klassischen Zirkelschluss, nicht wahr? Das Einzige, was ich von Ihnen will, ist die Zusicherung, dass wir nicht noch etwas Entscheidendes übersehen haben. Ein Horst Rüttgen reicht mir.«

»Sie können vollkommen beruhigt sein.« Wegener musterte Winters Gesicht eingehend. »Sie machen doch jetzt keinen Rückzieher, oder?«

»Nein, nein, natürlich nicht. Ich möchte nur Klarheit über den Fall haben.«

»Dann ist ja gut.« Wegener erhob sich und zog seine Jacke an. »Ich muss ins Präsidium. Wir telefonieren.«

Wegener verließ die Kantine und der Staatsanwalt sah ihm nachdenklich hinterher. Es hatte in diesem Verfahren schon zu viele unliebsame Überraschungen gegeben, die nächste konnte der Anklage vielleicht endgültig das Genick brechen. Und das wiederum konnte seiner Karriereplanung einen empfindlichen Dämpfer versetzen. Dieser Prozess tauchte in immer mehr Zeitungen auf und die Berichterstattung über die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft wurde zusehends kritischer. Insbesondere die Westfalen-Zeitung tat sich dabei mit bohrenden Fragen hervor, und das, obwohl die Ermittlungsbehörden in den ersten Artikeln durchaus gut weggekommen waren.

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